Es ist dunkel im Bus. Gerade beschweren sie sich im „Bits und so“-Podcast über die mangelnde Kreditkartenkultur in Deutschland. Ich bin in Kuba, irgendwo auf dem platten Land. In meinem Rucksack neben mir sind bündelweise Bargeld, weil man hier mit Kreditkarten genau gar nichts anfangen kann. Die haben Sorgen, denke ich. In diesem Moment reisst mich ein dumpfer Knall gefolgt von einem schlagenden Geräusch aus meinen Gedanken. Muss irgendwo an der Hinterachse gewesen sein. Der Fahrer lässt den Bus ausrollen und einige Kubaner steigen aus und sehen sich die Sache an. Bevor ich meine Lampe hervorgekramt habe und mich dazu gesellen will, sind sie schon wieder eingestiegen. Man hat sich geeinigt, dass es weitergehen kann. Aber alle sollen sich jetzt von der linken auf die rechte Seite setzen. Beim Aufstehen bleibe ich mit dem Kabel an der Armlehne hängen – und der Kopfhörer ist zum Teufel.
Wir hatten schon länger überlegt, wie wir von Cayo Coco wieder weg kommen. Ein paar schöne Strandtage hatten wir hier verbracht, Flamingogucken inklusive. Auch ein Lost Place in Form eines nie fertig gebauten Resorts findet sich hier.
Cayo Coco ist eine nördlich vorgelagerte Insel Kubas. Über einen 20 Kilometer langen Damm ist sie mit dem Festland verbunden. Am Anfang des Damms muss man quasi einreisen. Die Passnummern werden in eine der vielen Listen Kubas eingetragen.
Es gibt genau zwei bezahlbare Unterkünfte hier. Das Hotel Villa Azul, wo man uns zuerst hinfährt. Es handelt sich um eine Absteige in unattraktiver Umgebung. Mögen wir nicht und es ist sowieso alles belegt. Die „Sitio La Güira“ mit vier einfachen Hütten gibt es aber auch noch. Mit Glück können wir eine davon mieten. Ein älterer Reiseführer erwähnt noch das „Campismo“, dort möchte man im Moment aber keine ausländischen Touristen haben. Einige dieser unsäglichen All-inclusive-Resorts gibt es auch, aber das will man ja nicht.
Ein Dorf oder eine Stadt gibt es nicht. Bis zu ihrer Erschließung durch den Damm war die Insel unbewohnt. So kommt man da ziemlich schlecht wieder runter. Angereist waren wir mit dem Taxi, so eines müsste aber erst wieder vom Festland anreisen und wäre dem entsprechend kostspielig.
Immer gegen Abend bemerkten wir, dass sich einige der Angestellten ihre Siebensachen schnappen. Nachdem der Ruf „La Guagua!“ über das kleine Hüttendorf erschallt war, verschwanden sie damit in Richtung Straße. „Guagua“ (/ˈwa.wa/) ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für einen Bus im karibischen oder kanarischen Raum. Untergekommen ist er uns aber erst nur als Bezeichnung für einen Angestelltenbus. Zahlreiche Busse verkehren morgens und abends zwischen der Insel und dem Festland, um Leute zu transportieren, die auf Cayo Coco arbeiten.
Von zwei Spanierinnen, die in der Hütte neben uns gastieren, bekommen wir einen Tipp. Sie haben einen Fahrer gefunden, der sie für eine kleine „Spende“ im Guagua mitnimmt. Die beiden entschwinden in die Nacht und tauchen bis zum nächsten Morgen nicht wieder auf. So beschließen wir, das müsse eine gute Sache sein und machen uns auf die Suche nach dem Fahrer. Als wir ihn finden, vereinbaren wir eine Uhrzeit am nächsten Tag und sollen dann abgeholt werden.
Pünktlich, wie wir sind, finden wir uns am Treffpunkt ein. Auf eine längere Wartezeit haben wir uns eingestellt. Jetzt wird es aber bereits dunkel und immer später. Wir befürchten schon, den Guagua verpasst zu haben. Von fern sehen wir jetzt aber Leute mit Taschenlampen nahen. „The bus broke down. Another one is coming. 30 Minutes.“ teilt man uns im Vorbeigehen mit. Die Passagiere machen das beste draus und setzen sich in die nahe gelegene Bar. Wir sind froh, dass man uns nicht vergessen hat und warten geduldig weiter.
Das öffentliche Transportwesen in Kuba ist vielfältig. Die Fahrzeuge werden im Laufe ihrer Lebensdauer und je nach Zustand verschiedenen Zwecken zugeführt. Die neuesten Busse fahren der Tourismusdienstleister Transtour und die staatliche Busgesellschaft Viazul. Es handelt sich dabei um chinesische Fabrikate der Marke Yutong. Da ein Viazul-Bus einmal übers Display mitteilte, er führe nach Guangzhou, sind die vermutlich auch bereits gebraucht. Ältere Yutongs findet man bei den Omnibusses Nationales, die Schriftzüge der Ex-Nutzer überpinselt. Viele Angestellten-Busse rekrutieren sich wiederum aus den Veteranen dieser Dienste. Daneben gibt es aber noch Ex-Schulbusse, Kamelbusse und umgebaute russische oder uralte amerikanische LKW.
Einer dieser angegrauten Yutongs kommt nun zum Treffpunkt, die Bargesellschaft löst sich auf und steigt ein. Wir auch. Unsere dicken Rucksäcke sollen wir einfach mit reinnehmen. Auf der Fahrt zur Hauptstraße kommen wir am kaputten Bus vorbei. Was nicht stimmt, können wir in der Dunkelheit nicht ausmachen.
Auf dem Weg zum Damm kommen wir an einem weiteren liegen gebliebenen Bus vorbei. Kein guter Tag für den Fuhrpark, heute. Da die Landstraße hier in völliger Dunkelheit liegt, hat der Fahrer vor und hinter dem Fahrzeug kleine Feuer entfacht.
Und dann war da noch die Passkontrolle. Würden wir kontrolliert werden? Eigentlich dürfen wir dieses Verkehrsmittel nicht nutzen. Nach dem Damm erreichen wir den Kontrollpunkt. Der Busfahrer macht Anstalten, einfach durchzufahren, wird aber angehalten. Als ich eine Polizeimütze vorne im Bus ausmache, rutsche ich tief in meinen Sitz hinein, stelle mich schlafend. Astrid ist etwas kleiner, sieht weder den Polizisten, noch kann sie von ihm gesehen werden. Für mich sind das jetzt sehr lange 30 Sekunden. Dann schließen die Türen, der Bus fährt an und die Kubaner haben eine kleine Unschärfe in ihren Aufzeichnungen.
Einige Kilometer hinter dem Damm, in der Dunkelheit zwischen zwei Ortschaften passiert es dann. Irgendwas an der Aufhängung verabschiedet sich geräuschvoll. Nach dem eingangs erwähnten kurzen Check geht es weiter. Der Fahrer probiert, wie schnell er mit dem Defekt noch fahren kann. Das Heck schlingert bedenklich. Irgendwas hinten eiert ganz fürchterlich. Wir müssen es heute Nacht noch nach Ciego de Àvila schaffen. „Halt durch, alter Chinesenbus, halt durch.“ denke ich.