Recht früh morgens brechen wir von unserem Hotelcamp auf und fahren auf die Autobahn in Richtung serbischer Grenze. Der Wärter in der Mautstation nimmt unser Ticket entgegen und runzelt die Stirn. Es handelt sich um die selbe Mautstation, an der wir in der anderen Richtung das Ticket gezogen haben. Diesen Fall sieht das kroatische Autobahnsystem nicht vor. Er bedeutet uns, wir sollen wenden. Wenden? Auf der Autobahn? Es ist sehr wenig los aber schon hat sich jemand hinter uns eingereiht. Der wird sogleich vom Wärter verscheucht und uns gegenüber wird er mit der Wendegeste deutlicher. „Naja“, denke ich mir, „Geisterfahrer warst du auch noch nicht“ und wende den Bulli. Einige hundert Meter fahren wir nun entgegengesetzt. Von Ferne sehen wir einen LKW nahen, sonst ist kein Verkehr. Es gibt auf diesem Abschnitt keine Mittelleitplanke, aber die Fahrbahnen sind mit einer Art Bojen getrennt, zwischen denen eine Schnur gespannt ist. Ich suche eine Stelle, an der man dort vielleicht drüberfahren kann. Geht aber nicht. Ein ganzes Stück weiter, die Mautstation ist schon ganz klein im Rückspiegel, beginnt die Mittelleitplanke. Und genau dort hat man eine Fahrzeugbreite freigelassen. Puh! Also nicht die acht Kilometer bis zur nächsten Ausfahrt als Falschfahrer, sondern wieder auf der richtigen Seite. Dort angekommen zahlen wir einige Kuna für den Abschnitt und wollen jetzt auf der Nebenstrecke bis Lipovac fahren. Dahinter ist die Autobahn bis zur Grenze mautfrei, das wissen wir von gestern. Also folgen wir der Straße, die auf unserer Papierkarte ist. Die wird schon nach kurzer Zeit zur Schotterpiste. Wir machen die Rüttelstrecke ein paar Kilometer mit, ein Wildschwein kreuzt unseren Weg, dann erreichen wir einen Bootsanleger. Dahinter ist der Weg, der zwischenzeitlich immer schmaler geworden ist, komplett überwachsen. Ich wende, wir haben die Schnauze voll und fahren wieder auf die Autobahn. Am Schalter sitzt immer noch der selbe Typ, nimmt unser Ticket und wundert sich offensichtlich, was wir so lange gemacht haben.
Vor der serbischen Grenze ist wenig los. Nur drei, vier Fahrzeuge sind vor uns am Schalter. Jetzt brauchen wir nicht nur die Pässe, den Fahrzeugschein und die grüne Versicherungskarte sondern auch unsere internationalen Führerscheine. Die sind in Serbien schon länger Pflicht aber erst seit 2011 wird das auch kontrolliert. Die Abfertigung geht fix, der Zoll winkt uns durch. Jetzt sind wir also in Serbien!
Die Unterschiede sind sofort deutlich. Der Straßenbelag wir merklich schlechter und die Schilder sind sowohl in lateinischer als auch in kyrillischer Schrift ausgeführt. Trotz der mieseren Autobahn erreichen wir schon bald eine Mautstelle. Gleiches System: Ticket ziehen und weiterfahren.
Bei Ruma fahren wir von der Autobahn ab und peilen das Stadtzentrum an. Wir müssen einkaufen und serbische Dinar haben wir auch noch nicht. Der Verkehr ist ziemlich dicht. Kleine Traktoren, Pferdefuhrwerke und Fahrradfahrer teilen sich die relativ schmale Straße mit dem LKW- und PKW-Verkehr. In einer Wechselstube tauschen wir 50 Euro gegen rund 5600 Dinar, kaufen in der Nähe ein. Alles ist spottbillig.
Unser vorläufiges Ziel ist der Nationalpark Fruška Gora, wo es vier FTF zu holen gibt. Also fahren wir die Landstraße in Richtung Novi Sad, die auf den Pass über die Hügelkette führt. Es geht nur langsam voran, Traktoren und LKW quälen sich die steile Strecke hoch und können nur selten überholt werden. Auffällig ist die hohe Polizeipräsenz. Schon an der Autobahnabfahrt haben wir mehrere Posten gesichtet, jetzt steht an fast jedem Ortseingang ein Streifenwagen.
Von Weitem ähnelt der Bergkamm der Fruška Gora sehr unserem Teutoburger Wald zu Hause. Ein schmales, steiles Mittelgebirge und mittendrauf ein Fernsehturm. Der Kammweg kann und darf befahren werden, ist sogar brauchbar asphaltiert. Der erste Cache (GC3NXXT) liegt nahe der Passstraße in wenig reizvoller Umgebung. Aber das Logbuch ist leer.
Den zweiten Cache (GC3NXYA) erwandern wir uns. Er führt zum Monument Sloboda, das an die jugoslawischen Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg erinnert. Schickes Teil und noch ein FTF!
Zum TV-Tower wird gefahren. Das Bild im Listing haben wir nicht dabei und sind fasziniert, als wir um die Ecke biegen und ihn zum ersten Mal von Nahem sehen. Pragmatisch hat man aber einfach Antennen draufgestellt und er erfüllt wieder seine alte Funktion als Sendemast. Auch hier finden wir ein leeres Logbuch vor (GC3NXYD). An dieser Stelle sorry an Kasimir2008, der einen Tag später diese Cachereihe machte und sich fürchterlich geärgert haben muss.
Auf dem Rückweg Richtung Sremska Mitrovica besuchten wir noch zwei weitere Caches im Nationalpark, einer davon war ebenfalls ein FTF.
Auf der Strecke halten wir in einem Dorf, das weder auf unserer Papierkarte und auch nicht auf OSM war. Leider habe ich den Track nicht rechtzeitig gespeichert, sonst hätte ich ihn bei OSM hochgeladen. Im Ort ist Markt und es gibt frisches Gemüse, das wir im Supermarkt vorher nicht bekamen. Die blassgrüne Peperoni, die ziemlich harmlos daherkam, sollte sich später als echter „Burner“ entpuppen. Daneben gibt es viele Stände mit allerlei Tinnef, bunter Bekleidung, Angel- und Jagdzubehör.
Schon an der Grenze gab es riesige Werbetafeln für einen Campingplatz, die uns immer wieder begegnet sind. Sollte das unser recherchiertes Nachtlager sein? Auf groß Trubel und einen vollen Touriplatz haben wir nämlich keine Lust. Allerdings haben wir schon seit geraumer Zeit kein Wohnmobil oder Gespann mit Wohnwagen gesehen. Eigentlich schon seit Kroatien nicht mehr. Schnell wird klar: Unser Ziel erreichen wir, wenn wir den großen Werbetafeln folgen. Es gibt nämlich im größeren Umkreis nichts anderes zum Übernachten. Da wir das Land noch nicht kennen und per Definition Wildcampen verboten ist, wollen wir erst einmal vorfühlen. Dazu die ständige Präsenz der Polizei.
Die Hinweisschilder führen uns über die Save durch immer ärmlichere Vororte zu einer schmalen Straße. Als wir die Einfahrt zum Campingplatz finden, staunen wir nicht schlecht. Eine Anlage, wie man sie selbst in Deutschland selten findet. Und wir sind die einzigen Gäste.
Ein Junge springt unter einem Dach hervor. An der Wand prangt ein riesiger Flatscreen. „Welcome!“ begrüßt er uns. Wir schlagen unser Lager auf, wo es morgens schattig sein dürfte. Schließlich wollen wir nach den anstrengenden Fahretappen etwas ausruhen und unsere Eindrücke verarbeiten.
Nach dem Abendessen kommt der junge Platzwart mit einem Tablett und einem Kanister quer über den Platz zu uns an den Tisch. „Šljivovica, local brand!“ Der Kanister hat kein Etikett. Trotzdem nehmen wir an und werden später noch lernen, dass hier jeder seine eigene „local brand“ selbst herstellt.
Abends läuft das Halbfinalspiel Portugal-Spanien. Auf dem Flatscreen, versteht sich. Es hat einen Schichtwechsel bei den Platzwarten gegeben und jetzt sitzt ein Mittfünfziger bei uns, der über ein sehr freundliches und einnehmendes Wesen verfügt, aber keine uns geläufige Fremdsprache spricht. Macht nichts, mit Hand und Fuß geht es auch.
Kurz nach der Halbzeit macht einer von Astrids Flipflops schlapp. Während ich noch überlege, wie ich das Ding mit Gaffertape flicken kann, verschwindet der Platzwart mit dem Latschen in einer kleinen Werkstatt und repariert ihn mir einem Flaschenverschluss.
Am nächsten Tag wollen wir Sremska Mitrovica mit dem Fahrrad erkunden und die lokalen Caches besuchen.