Sremska Mitrovica per Fahrrad: Schwein gehabt!

Nach einer geruhsamen Nacht machen wir uns ausgeschlafen an das Frühstück. Der Platzwart winkt. Wir sollen doch dazu einen Šljivovica trinken. Das ist uns nun doch eindeutig zu früh und wir lehnen freundlich ab. Allerdings müssen wir versprechen, den Umtrunk am Abend nachzuholen.

Die Landstraße nach Sremska Mitrovica

Auf dem Campingplatz gibt es einen Fahrradständer mit gleichen, roten Fahrrädern. Wir fragen, was es denn kosten soll, zwei davon auszuleihen. Unsere eigenen haben wir dieses Mal zu Hause gelassen. Zu unserem Erstaunen ist es umsonst. Also starten wir am späten Vormittag in Richtung des 7 km entfernten Sremska Mitrovica.

In den Vororten fallen uns überall kleine Brunnen auf, an denen die Anwohner mit Kanistern oder Flaschen Wasser holen. Die Häuser sind zwar an das öffentliche Trinkwassernetz angeschlossen, aber das Brunnenwasser schmeckt einfach besser, erklärt man uns. Gegen die Fahrräder, die dafür verwendet werden, sehen unsere doch recht einfachen Campingplatzräder aus wie Luxusobjekte. Dementsprechend fallen wir auf wie bunte Hunde. Wir werden von allen erstaunt gemustert, aber jeder Gruß von uns wird freundlich erwidert.

Vermeintlicher Lost Place

Unterwegs kommen wir an einem riesigen Lost Place vorbei. Die großen Hallen liegen direkt an der Save, die durch die Stadt fließt. Als wir uns nähern, hören wir die Geräusche von Trennschleifern. Nix mit Lost Place. Hier werden weiterhin Schiffe repariert. Die Größe der Hallen legt den Schluß nahe, dass hier auch einmal welche gebaut wurden.

Die Fahrradbrücke über die Save

Zum Zentrum geht es über eine moderne Fußgänger- und Fahrradbrücke. Es geht erst steil aufwärts und dann ebenso steil wieder runter. Nachdem wir hoch geschoben haben, probiere ich runter zu fahren, entschließe mich aber dagegen, weil den Bremsen nicht zu trauen ist. Also schieben wir auch runter.

In der Stadt herrscht geschäftiges Treiben und man muss als Fahrradfahrer schon ganz schön aufpassen. Auch an den größeren Straßen, an denen es Fahrradwege gibt, ist Vorsicht geboten. Es lauern große Löcher in der Strecke, manchmal ist ein Gully offen oder der Deckel so platziert, dass man mit dem Vorderrad perfekt hineinpassen würde. Manchmal endet der Weg auch einfach abrupt an einem hohen Bordstein.

Überall entlang der Save gehen Leute in Badesachen in die zahlreichen Strandbäder. Die Temperatur hat auch schon locker die 30° überschritten und wir freuen uns über den Fahrtwind. Die Caches in der Stadt sind nichts Besonderes, aber so sehen wir wenigstens etwas. Als ich mein Fahrrad unabgeschlossen, aber in Astrids Obhut stehen lasse, um einen Cache zu suchen, eilt sogleich die Verkäuferin vom Kiosk nebenan herbei. Sie bedeutet Astrid, dass es viel zu gefährlich sei, ein Fahrrad unabgeschlossen stehen zu lassen. Wir erinnern uns dann, dass der Platzwart das vorher auch extra betont hat.

Ausblicke auf dem Ehrenfriedhof

Kunst im Park

Einer der vier Caches der Stadt führt uns in den Спомен Гробље (GC3JX6Q), dem Ehrenfriedhof. Die Koordinaten liegen an einer wenig einladenden aber schattigen Stelle. Hier wird offensichtlich öfter mal gefeiert, überall liegen Flaschen und sonstiger Müll. Astrid erspäht auch sogleich die vermeintliche Dose und zieht unvermittelt eine Spritze aus dem Versteck. Die Fixer hier haben anscheinend einen schrägen Humor. Das macht den Platz aber nicht  gerade sympathischer und wir beschließen abzubrechen. Dann entdecken wir den Cachebehälter Marke Cremedose am Boden liegend und ohne Logbuch. Wir ersetzen  selbiges mit unserem Zettel „Serbisch-Deutsch“, legen ihn in das Versteck und tarnen ihn bestmöglich.

Der letzte Cache liegt nahe der Fahrradbrücke direkt an der Save (GC3EYF0). Wir passieren eines der Strandbäder und können bei einem verlassenen Fussballplatz nicht mit den Rädern weiter. Die schließen wir an eines der Tore und es geht zu Fuß weiter. Die Vegetation ist dicht, aber nichts was stricht oder nesselt. Dieser hat uns am besten gefallen. Einfach aber gut.

Hinterhofstallungen. Für einen Pool war auch noch Platz.

Auf dem Rückweg über die Promenade sehen wir wieder einige Badende und Angler. In der Save treibt ein totes Hausschwein. Das scheint aber niemanden groß zu stören. Wir haben vorher in den Hinterhöfen Viehhaltung auf kleinstem Raum gesehen, darunter auch Schweine. Vielleicht ist es von einem der Höfe ausgebüxt. Das Tier ist prall aufgebläht und wir stellen uns vor was passieren würde, wenn man es anpiekt.

Vulkanizer gibt es an jeder Ecke. Bei den schlechten Straßen leiden die Reifen. Im Hintergrund sieht man den T2 aus Neuseeland.

Die Strampelei zurück ist eine echte Strapaze. Die Landstraße ist schmal und ohne Seitenstreifen. Schatten gibt es auch keinen und es ist inzwischen 36°, dazu ein bisschen Gegenwind. Als ich an einem landestypischen „Vulkanizer“-Schild ein Foto mache, braust ein T2-Bus vorbei. Ist das eine neuseeländische Flagge? Ja, ist es. Auf dem Campingplatz treffen wir die Reisenden mit ihrem orangefarbenen Bus wieder. Leider gab es keine Gelegenheit, sich länger zu unterhalten. Die beiden blieben lieber unter sich. Vielleicht hatten sie es satt, jeden Abend die selben Fragen zu beantworten und so ließen auch wir sie in Ruhe.

Im Fernsehen läuft das EM-Halbfinale Italien-Deutschland. Neben dem Platzwart sind jetzt auch weitere Gäste da. Ein Mann aus Belgrad, der einfach ein paar Tage ausspannen und angeln will. Kurz vor Anpfiff kommt ein Motorrad zur Pforte. Drauf sitzt ein slowenisches Paar, die heute nonstop aus Istanbul bis hierher gefahren sind. Und auch der Chef vom Campingplatz sitzt mit uns unter dem Dach. Aber das Spiel mit bekanntem Ausgang wird schnell zur Nebensache. Es wird sich über alle möglichen Themen unterhalten. Die Sprachen wechseln, meistens einigen wir uns auf Englisch, dem Platzwart wird häufig übersetzt. Letzterer hat den Šljivovica vom Morgen natürlich nicht vergessen und so kommt wieder der Kanister zum Einsatz.

Etwas später, das Spiel ist von deutscher Seite längst aufgegeben, holen wir unsere Serbienkarte aus dem Bulli. Auf der wird jetzt munter herumgekritzelt, ein Tipp folgt auf den nächsten. Wir merken schon, dass wir unsere Reisepläne ändern müssen.

Eine Anekdote kann ich hier nicht auslassen. Ich erzähle, dass Astrid nach dem verlorenen WM-Finale 2002 Brasilien-Deutschland am nächsten Tag mit einem Jäckchen herumgelaufen ist, auf dem hinten „Brazil“ draufstand und sich die bösen Blicke nicht erklären konnte. „Oh, that’s nothing“ lacht der Campingplatzchef und erzählt folgende Geschichte: Er hat in der Nacht, in der die Nato-Bombardements in seiner Region begannen, verständlicherweise nicht viel geschlafen. Morgens muss er trotzdem raus und wankt verpennt zum Kleiderschrank. Er greift sich ein T-Shirt, zieht es an und geht in die Küche, wo die Familie mit dem Frühstück wartet. Selbige ist schockiert als sie ihn sieht, bricht dann aber in schallendes Gelächter aus. Er schaut an sich herunter und bemerkt erst jetzt, was auf dem T-Shirt zu sehen ist: Es zeigt ein rundes Emblem mit einem Adler. Rundherum prangt in großen Lettern „United States Air Force“.

Am nächsten Tag werden wir wohl etwas später starten, dafür aber tiefer in das Land eintauchen, eine spannende Strecke fahren und ganz neue Begegnungen haben.

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2 responses to this post.

  1. Posted by topograf on 24. August 2012 at 09:28

    Schön zu lesender Bericht über eure Balkan-Tour – vielen Dank! Stamme aus Sr. Mitrovica und bin über eure Logs auf der GC-Seite auf diesen Blog gestoßen…

    Übrigens, die Leute, die Wasser in Gefäßen aus dem Brunnen holen, haben sehr wohl einen Wasseranschluss daheim. Nur ist es in der Vojvodina sehr verbreitet, живa водa („lebendes Wasser“), welches sich vor Jahrmillionen in vielen hundert Metern Tiefe in wasserführenden Schichten gesammelt hat, für viele Zwecke zu verwenden. So kocht meine Großmutter ihren Kaffee ausschließlich mit lebendem Wasser aus dem Brunnen in der Velika Petrovića Ulica. Außerdem soll es heilende Kräfte haben… Auf jeden Fall ist es bei den meisten Einheimischen beliebter als „Kranenberger“. Probiert’s das nächste Mal!

    Antworten

  2. Posted by Sideseein’ on 24. August 2012 at 15:35

    Vielen Dank für Dein Feedback! Dass Quellen in Serbien allgemein eine große Bedeutung haben, war im ganzen Land zu merken. Da haben wir wohl etwas falsch verstanden. Aber das Wasser aus diesen Quellen ist tatsächlich ganz hervorragend!
    Bist Du der Cacher „Topograf“, der in der Gegend einige Caches hat?

    Antworten

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