Am späten Vormittag verlassen wir den komfortablen Campingplatz und wollen bei Loznica auf die Straße entlang der Drina fahren.
Die hat man uns als besonders reizvoll empfohlen. Um dorthin zu gelangen, müssen wir durch eine ländliche Gegend und bekommen es zum ersten Mal mit der lückenhaften Beschilderung zu tun. Da wir den Zeichnungen vom Vorabend auf unserer Papierkarte folgen, auf der längst nicht alle Straßen und Kreuzungen in diesem Gebiet zu sehen sind, verfransen wir uns ein paar Mal. Schließlich vertrauen wir die Wegführung der Openstreetmap auf dem Oregon an. Das funktioniert ganz gut, solange man nicht versucht mehr als 50 km am Stück zu navigieren und sich die Strecke vorher genau anschaut. Irgendwo ist immer eine Lücke in der Route, was mitunter zu abenteuerlichen Umwegen führt.
Unterwegs durchqueren wir viele kleine Dörfer. Es gibt Gespanne mit kleinen Traktoren und auch einige Pferdefuhrwerke. Neben russischen Fabrikaten sind landwirtschaftliche Geräte von Claas beliebt. Die alten Mähdrescher und die noch älteren Ballenpressen sind erstaunlich gut in Schuss. Ziemlich oft sieht man aber auch noch klassische Heuschober, die mit der Heugabel aufgetürmt werden. In den Ortschaften herrscht eine gelassene, fröhliche Stimmung. Trotz der offensichtlichen Armut wirken die Dörfler entspannt und zufrieden.
In Loznica gibt es einige mehrspurige Straßen. Die Spuren sind einzeln beschildert und man hat sich aus Platzgründen dazu entschlossen, die Wegweiser nur mit einem Schriftsystem auszustatten. Zu unserem Leidwesen fiel die Wahl hier auf Kyrillisch. Unsere Papierkarte ist bilingual ausgeführt, aber fortan lauten die Navigationsanweisungen vom Beifahrersitz in etwa so: „Wir suchen jetzt einen Ort, der fängt mit so was Ähnlichem wie einem M an, dann kommt ne komische Drei, dann ein Winkel nach Rechts…“
Als wir den richtigen Weg aus der Stadt gefunden haben, biegen wir vor der Grenzbrücke links ab und sind auf der Straße entlang der Drina. In der Mitte des Flusses verläuft die Grenze zu Bosnien und Herzegowina. Die Landschaft wird erst felsiger, dann bergiger. Es ist wenig Verkehr und wir können uns in aller Ruhe den Fluss anschauen. Die Temperatur steigt auf 37°. Beiderseits des Flusses sieht man seichte kleine Strände, Sandbänke und glatte Felsen. Diese Stellen werden zum Baden benutzt. Teilweise scheint der Fluss so flach, dass man fast rüberwandern könnte, rübergeschwommen wird sicherlich.
Wir suchen uns eine Stelle, an der wir gut parken können und gehen eine schräge Rampe runter zum Flussufer. Allerdings scheint das Gelände zu einem Bauernhof zu gehören und wir werden gehörig angekläfft. Unten am Fluss halten wir ein wenig inne, machen ein paar Fotos und planen den nächsten Teil der Route. Ein Aspekt, warum wir diese Region nicht mit eingeplant hatten: Es gibt keine Caches. Einer liegt aber doch an der Route: Viewpoint (GC178BY). Der soll unser Zwischenziel sein.
Unterwegs wollen wir aber noch einkaufen. Unser Brot ist alle. Wir fragen bei diversen Läden, zeigen einen Brotlaib mit den Händen und tun so, als würden wir davon abschneiden. „Aaah, hleb! Ne…“ bekommen wir überall zu hören und werden auf den nächst größeren Ort verwiesen. Bisher gab es immer größere Supermärkte und auch Bäckereien haben wir vereinzelt gesehen. Aber die kleinen Läden auf dem Land, in denen es sonst alles gibt, führen anscheinend kein Brot. Bei einem der „Mini Markets“, wie sie häufig heissen, kaufen wir einige Lebensmittel und Bier.
Unsere Dinar reichen nicht ganz für den Einkauf und ich lege einige Euromünzen auf den Tresen. Die werden gerne genommen und die Verkäuferin verschwindet hinten im Laden und taucht mit einem „Beer“ T-Shirt von Jelen Pivo wieder auf, dass sie mir schenkt.
Unser Zwischenziel liegt am höchsten Punkt des Tara Nationalparks. Wir fahren erst Serpentinen, dann eine Schotterpiste bis zu den Parkkoordinaten des Caches und machen uns auf den Weg zum Aussichtspunkt. Zu unserer Verwunderung führt der Weg die meiste Zeit abwärts, die letzten paar hundert Meter sind dann aber sehr felsig und bringen uns wieder ein Stück herauf. Nachdem wir den Cache geloggt hatten, stiegen wir auf die eigentliche Aussichtsplattform. Eine tolle Rundumsicht bietet sich uns, die Drina glitzert in der Abendsonne.
Nachdem wir die Aussicht genossen hatten, fahren wir wieder auf die Passstraße und das Tara-Gebirge an der anderen Seite wieder herunter. Der Ort Kremna ist schnell gefunden, aber wo liegt unser Tagesziel? Auf dem Campingplatz in Sr. Mitrovica hat man uns einen komplett in Kyrillisch gehaltenen Flyer mitgegeben, der vom Chef der Anlage noch handschriftlich ergänzt wurde, sinngemäß soll da stehen: „Du Idiot, warum schreibst du nicht auch Englisch drauf?“ Die beiden kennen sich hoffentlich gut.
Das hilft uns bei der Suche leider wenig. Wir fahren durch das Dorf, halten nach irgendwelchen Schildern mit Ähnlichkeit zu dem Flyer Ausschau. Auch hier ein Versuch, Brot zu kaufen. Hoffnungslos. Schließlich entdecken wir ein Haus mit Beschilderung, die unserem Papier ähnelt. Es ist niemand da, aber der Nachbar hat uns bemerkt und kommt zum Zaun. Er spricht etwas französisch. Darauf sind wir nicht vorbereitet, trotzdem klappt die Verständigung ganz gut. Er bedeutet uns, wir sollen die Hauptstraße hinter der „Pumpa“ (Tankstelle) weiterfahren und nach einem „Affiche“ (er meint wohl „Schild“) Ausschau halten. Und tatsächlich: Etwas ausserhalb des Dorfes zeigt ein Campingplatzschild den Hang hinauf. Wir folgen der schmalen Straße, die nach wenigen Metern zur Piste wird. Am Rande einer Siedlung finden wir den kleinen Hof, dessen Obstwiese als Stellfläche für Campingbehausungen aller Art dient. Aktuell sind aber nur zwei englischsprachige Zelter und eine Familie im Wohnwagen mit frankfurter Kennzeichen da.
Der Wirt freut sich sichtlich uns zu sehen. Wir verständigen uns mit Zeichensprache und überreichen den Flyer mit der „Widmung“. Er grinst und zeigt uns die sanitären Einrichtungen. Einfach, aber völlig ausreichend. Vom Platz hat man eine herrliche Aussicht auf sanfte grüne Hügel. Die jungen Birnbäume zwischen den Stellplätzen tragen die Früchte, aus denen später der Šljivovica gebrannt wird. In der Abendsonne ist alles noch einmal so schön.
Wir haben einen geruhsamen Abend und schlafen ausgezeichnet. Am nächsten Tag wollen wir herausfinden, warum man uns die Gegend so empfohlen hat.
Posted by Stramon on 1. August 2012 at 17:10
Danke für den tollen Bericht, ich freue mich schon auf die nächsten Episoden!
Liebe Grüße von Stramon