Morgens packen wir den Bulli, lassen unsere Möbel aber da. Wir bleiben noch eine Nacht. Schließlich wollen wir ohne Hast die Gegend ein wenig erkunden. Im Dorf halten wir noch einmal an einem Mini Market. Unterwegs haben wir Leute mit Tüten gesehen. In den Tüten war unverkennbar Brot. Das müssen die doch irgendwo herhaben! Und tatsächlich: Auf der Theke des kleinen Marktes liegt frisches Brot. Der Trick ist, es morgens zu kaufen. Danach gilt wohl: Wenn weg, dann weg. Wir decken uns auch mit allerlei anderen Lebensmitteln ein, die wir gestern nicht bekommen haben. Die anderen Kunden machen große Augen. Vorratskäufe scheinen hier eher unüblich zu sein, man sieht sonst nur Tüten mit wenigen Waren darin. Aber Morgen ist Sonntag und wir wissen nicht, wie das in Serbien mit dem Ladenschluss läuft.
Unser erstes Tagesziel ist der Tornik (1.496 m) bei Zlatibor. In der Nähe soll es einige schöne Klöster (Monasteries) und Kirchen geben. Bei der Stadt Partizanske Vode, in der Umgangssprache nur noch Zlatibor genannt, halte ich an einem Hotel. Bingo! Ein offenes Wlan. Ich hole Mails, aktualisiere die Timeline und den Feedreader, nicht ohne auch ein kurzes Lebenszeichen via Twitter abzusetzen. Überhaupt ist die Infrastruktur hier äusserst gut ausgebaut. Es gibt Hotels und Feriensiedlungen. Aber im Moment ist keine Saison und es ist ziemlich leer. Mehr wird hier im Winter los sein, Zlatibor ist ein beliebtes Skigebiet.
Unser Weg führt uns vorbei am Ribničko jezero, einem Stausee auf 1.000 m Höhe. Wir suchen den Einstieg zum Gipfelaufstieg. Zu unserer größten Verwunderung gibt es den nicht. Eine schmale, geteerte Serpentinenstraße windet sich hinauf bis zum Gipfel. Auch gut. Oben gibt es ein geschlossenes Restaurant und die Gipfelstation der Seilbahn. Niemand ist zu sehen. Aber schon wieder Wlan. Also twittere ich ein Bild von der phantastischen Aussicht. Als wir schon wieder abfahren wollen, knattert ein Quad die Straße hoch. Das Personal der Seilbahn in Form eines jungen Mannes. Der kümmert sich nicht um uns und arbeitet an irgendwelchen Metallteilen.
Auf dem Weg nach unten fällt uns gleich hinter den ersten Serpentinen eine blonde Frau mittleren Alters auf, die nicht gerade in Wanderklamotten unterwegs ist. Wir stoppen und fragen, ob alles in Ordnung sei. Sie ist Montenegrinerin und spricht Englisch. Offenbar ist sie ziemlich aufgeregt und fragt uns, ob oben jemand wäre. Mit dem Auto stimme etwas nicht. Wir bieten ihr an, sie mitzunehmen. Sie lehnt ab und steigt in ihren offenen Schuhen weiter den Berg hoch.
Eine Serpentine weiter sehen wir das Malheur. Ein Seat Cordoba mit Belgrader Kennzeichen ist leicht von der Straße abgekommen und sitzt mit einem Rad bis zur Achse im Kiesbett. Der Fahrer, ein älterer Herr mit zum Zopf gebundenem weissem Haar, versucht das Rad mit der Hand freizuschaufeln. Da hat er keine Chance. Vladimir, so heisst er, fragt ob wir ihn rausziehen können. Er ist Serbe und auch er spricht Englisch. Klar können wir! Die Suche nach der Abschleppöse des Seats gestaltet sich schwierig. Als das Teil zum Einschrauben endlich gefunden ist, wende ich den Bulli. Die Straße ist schmal und der Asphalt hat einen ziemlichen Höhenunterschied zum restlichen Untergrund. Ich möchte da nicht auch noch stecken bleiben und so ist es ein Wendemanöver in vielen Zügen. Astrid weist mich ein. Im Nachhinein eine ziemlich überflüssige Aktion, der Bulli hätte den Kompaktwagen sicher auch rückwärts rausgezogen. Beim Klarmachen des Schleppseils kommt das Quad um die Ecke. Drauf sitzen der Seilbahnwärter und die blonde Frau. Vladimir setzt sich hinter das Steuer des Cordobas, ich ziehe mit dem Bulli, der Rest schiebt. Flugs hat der Seat wieder Asphalt unter den Reifen. Natürlich hat niemand daran gedacht, von dieser Situation ein Foto zu machen. Ich beschließe, das Wendemanöver nicht zu wiederholen, hoch zum Gipfel zu fahren und dort zu wenden. Die beiden Serben folgen uns und wollen uns in das Restaurant einladen. Geht nicht, ist ja zu.
Wir beschließen runter zu fahren und eines der beiden dortigen Klöster zu besuchen. Vladimir und seine Begleitung (der Name ist leider weg…) wollen sich dort mit uns treffen. Natürlich erwischen wir zunächst die Einfahrt zu dem anderen Kloster (Monastery Uvac) und lernen eine Lektion. Wo die Einheimischen ihre Autos stehen lassen, sollte man wirklich nicht mehr weiterfahren. Die Straße wird zu einer Geröllpiste. Schmal, steil und teils mit Abgrund an einer Seite. Zum Glück finden wir eine Stelle zum Wenden und erreichen wieder die Teerstraße.
Jetzt folgen wir den Wegweisern zum Kloster (Monastery) Dubrava. Der Wegweiser zeigt wieder in einen Feldweg. Hier steht der Seat und es wird wohl gerade nach dem Weg gefragt. Als wir ihn einholen, gibt er Gas. Jetzt wird auch klar, wie Vladimir in das Kiesbett gelangt ist. Er jagt mit ziemlicher Geschwindigkeit über die Piste. Ich versuche ihm eine Weile zu folgen, aber irgendwann schaukelt sich der Bulli derart an den Bodenwellen auf, dass er aufsetzt. Jetzt geht es für uns deutlich gemächlicher weiter. Vladimir kann es egal sein, er fährt einen Firmenwagen. Wir aber fahren unsere Herberge, der besser nichts zustoßen sollte.
Ist die Piste erst nur schlecht zu befahren, wird sie jetzt steiler, kurviger, felsiger. In einer Serpentine, längst ragen hohe Felswände neben uns auf, steht der Seat. Vladimir fotografiert und wir tun es ihm gleich. Die restliche Strecke ist nicht ohne. Überall liegt Steinschlag herum. Rechts die Felswand, links der Abgrund. Als wir einen Pass überfahren haben, können wir das Kloster sehen. Es liegt auf einem Plateau inmitten eines Tales zwischen gewaltigen Bergen. Einen davon haben wir gerade überquert. Jetzt geht es also erst einmal abwärts. Der Weg schlängelt sich immer tiefer hinab zu den Gebäuden. Die Ausblicke sind grandios. Ich kann sie gerade aber nicht wirklich genießen. Es fordert doch einige Konzentration, diese Strecke zu meistern.
Wären wir hier ohne Dolmetscher hingefahren, hätten wir uns zweifelsohne geärgert. Diese bullimordende Strecke, und dann steht da ’ne Kirche. Klar, die Aussicht ist der Hammer. Aber wir hätten nicht verstanden, was dieser Ort bedeutet.
Das Kloster besteht aus drei Sakralbauten, einem größeren Wohnhaus und einigen Nebengebäuden. Wir erfahren, dass hier sechs Nonnen und ein männlicher Priester wohnen. Letzterer bewohnt ein kleines Häuschen etwas oberhalb der Hauptgebäude. Sämtliche Bauten sind erst im Jahr 2007 wiedererrichtet worden. Nur die Bodenplatte der einen Kapelle ist Original aus dem 14. Jahrhundert. Das Kloster ist in seiner Geschichte mehrfach zerstört und wieder aufgebaut worden. Jetzt sind wir gerade in einer Aufgebaut-Phase. Auf einer Wiese etwas unterhalb des Klosterkomplexes arbeiten einige Männer, darunter auch der Priester, und machen Heu. Hierfür stehen ihnen keine weiteren Werkzeuge als Sensen und Heugabeln zur Verfügung.
Nachdem Astrid ihre Schultern mit einem Tuch bedeckt hat, wollen wir das Innere der Kapellen besichtigen. Unsere beiden Begleiter sind schon drin. Sie ist offensichtlich tief religiös. Die Heiligenikonen werden geküsst, sie spendet einige Dinar, die offensichtlich an eine ganz bestimmte Stelle müssen. Ein Briefchen hinterlegt sie nach Absprache mit einer Nonne auch an einen wohl dafür vorgesehenen Ort. Dies alles berührt sie so sehr, dass ihr Tränen über die Wangen fließen. Abschließend erwirbt sie zwei Armbänder. Diese haben in der serbisch orthodoxen Kirche eine ähnliche Bedeutung wie etwa ein Rosenkranz, wie sie uns erklärt.
Etwas unterhalb des Klosters gibt es eine heilige Quelle. Vladimir fordert uns auf, uns mit dem Wasser zu waschen und etwas davon zu trinken. Ich bin nicht religiös aber Bergquellwasser ist immer gut. Es schmeckte ganz hervorragend. Später auf unserer Reise sehen wir an vielen Orten Serben, die zu Quellen pilgern, davon trinken und sich davor fotografieren lassen.
Den Weg zurück bestreiten wir allein. Unsere Begleiter bleiben noch auf einen Tee, wir verabschieden uns und brechen auf.
Unser nächstes Ziel ist Mokra Gora, ein Städtchen direkt an der Grenze zu Bosnien und Herzegowina. Wir wollen uns die Šarganska Osmica anschauen, eine Schmalspurbahn durch die Berge. Sie ist eine unter den Serben beliebte Touristenattraktion. Als wir nur mit Glück den Bahnhof finden, ist nichts los. Die Beschilderung gibt für uns nichts her, sie ist ausschließlich in Kyrillisch gehalten. Wir fragen eine Gruppe Männer, die vor einem Laden sitzt. Aber sie verstehen uns nicht und weisen zum Bahnhof. Wir schauen uns etwas um, unser Interesse hält sich in Grenzen.
Etwas enttäuscht kehren wir zur Birnenplantage zurück. Die Wirtsfamilie grillt und ehe wir uns versehen, wird ein Teller mit köstlichen Grillspezialitäten zu unserem Camp gebracht. Wir bedanken uns artig und lassen es uns schmecken.
An diesem Abend sitzen wir noch mit unseren Nachbarn Andrea und Jochen zusammen. Die beiden sind Lehrer an der deutschen Schule in Budapest. Sie nutzen die zweimonatigen Sommerferien, um mit ihren Kindern zu reisen und die Heimat zu besuchen. Es ist ein supernetter Abend.
Am nächsten Tag haben wir etwas Pech mit unserer Schlafplatzsuche und enden in den wilden Wäldern Rumäniens.
Posted by Das Monaco des Balkans « Sideseein’ on 12. November 2012 at 01:31
[…] bekannt vorkommt. Wir wenden und tatsächlich! Es ist das Gespann von Andrea und Jochen, die wir in Kremna getroffen haben. Die sitzen mit ihren Kindern beim Essen. Was für ein Zufall! Wir tauschen ein […]